Stecklinge für Bonsai vermehren


Beim Beschnitt unserer Bäumchen bleiben kleine oder größere Pflanzenteile übrig, die sich als Stecklinge eignen. Nun bekomme ich immer wieder Anfragen von Bonsaifreunden, die Schwierigkeiten damit haben. Daher biete ich hier Infos und eine  Checkliste an.


Warum überhaupt Stecklinge ziehen?

Stecklinge bieten einige Vorteile, die man bei Aufzucht durch Samen ("Misho") nicht hat. So sind Stecklinge in jedem Fall 100% genetisch mit der Mutterpflanze identisch. Das kann wichtig sein, wenn man z.B. eine Waldpflanzung anlegen möchte. Zum anderen sind Stecklinge im Wachstumsfortschritt den aus Samen angezogenen Pflanzen regelmässig um 1 - 2 Jahre voraus. Ein Steckling - so meine Erfahrung - ist auch weniger anfällig bei Streß (Wasser fehlt, zu viel Sonne etc.), als ein gleich großer Sämling. Also präferiere ich Stecklinge, wo immer es möglich ist.


Die Checkliste - darauf solltest Du unbedingt achten:

1. Substrat: 
Es muss gut durchlässig sein, weil Staunässe den Steckling absterben lässt. Du brauchst dafür nur ganz wenig Nährstoffe und z.B. drei Substratschichten:

   - ganz unten eine Kies-Drainage
   - darauf ein paar Zentimeter Anzuchterde
   - ganz oben ein Daumen breit mit Sand

Diesen Steckling habe ich - nur für das Blog !!! - in einem Gurkenglas angezogen, damit man den Aufbau erkennen kann. Die oberste und unterste Schicht erkennt man noch ganz deutlich und auch neue Wurzeln des Bäumchens.

Du kannst die Anzuchterde durch feine (vorher gesiebte) Akadama ersetzen. Dann hast Du ein Substrat ganz ohne Nährstoffe. Sobald das Bäumchen einige frische Blätter entwickelt hat,  kannst Du dem Wachstum sehr zurückhaltend mit organischem Dünger ein wenig nachhelfen. Nimmt 25% der empfohlenen Menge. In diesem Stadium vermeide ich organischen Dünger vollständig.

Zur Klarstellung:  
Das Gurkenglas habe ich nur für diese Präsentation verwendet. Bitte niemals einen Steckling in ein Gurkenglas setzen - Staunässegefahr etc ... Dazu verwendest Du bitte einen normalen Topf - siehe Foto ganz oben - für den man einen Verdunstungsschutz bereit stellen kann.


Was kommt dabei heraus?

Als Beispiel hier der Steckling eines Cornus rubra (Roter Hartriegel) im Gurkenglas :-) , der zu den Sträuchern gehört und sich deswegen besonders gut als Steckling eignet. Nach einem halben Jahr sieht er so aus, wie es dieses kleine Foto es zeigt. 

2.  Der Steckling
Prinzipiell ist jeder Baum oder Strauch für die Stecklingsvermehrung geeignet, aber natürlich gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Pflanzen. Du kannst Dir merken: Weichholzgewächse, die große weiche Blätter haben und meistens sehr biegsam sind - Beispiel Haselnuss - wurzeln leichter, als klassische Bäume, die feste Blätter haben oder aus warmen Regionen kommen - Beispiel Wacholder.

  • Stecklinge wähle ich so aus, dass sie 3 - 7 Knospen oberirdisch haben, wenn ich sie 2 cm tief stecke. Prinzipiell reicht eine Knospe.
  • Ein guter Zeitpunkt ist der Frühling / Frühsommer, wenn die Pflanze voller Wachstumshormone steckt und austreiben will. Erst kommen Saugwurzeln, danach die Blätter.
  • Alle Blüten und 80% der Blattoberfläche werden (am Stiel) entfernt. Der Blattstiel bleibt stehen. Das Blatt wird mit einer sauberen, scharfen Bonsaischere entfernt (nicht abgequetscht, weil die Schere stumpf ist).
  • Dann wird der Stamm schräg angeschnitten und danach auf keinen Fall mehr angefasst! Es ist eine gute Idee, die Schere vor dem Schnitt zu desinfizieren. 
  • Nun drücke ich den Steckling circa 2 cm tief in das vorbereitete Gemisch - fertig.
  • Nun den Steckling mit Wasser besprühen und so gießen, dass das überschüssige Wasser aus dem Topf austritt.

3.  Aufstellung und Pflege

Deine junge Pflanze hat noch keine Wurzeln und kann daher keinen Stoffwechsel betreiben. Damit die minimale, verbliebene Blattoberfläche nicht sofort vertrocknet, braucht die Pflanze einen Verdunstungsschutz. Man kann dafür durchsichtige Kunststofftüten verwenden, die man mit Stäbchen im Topf so abstützt, dass sie nicht auf den Steckling zu liegen kommen. Ansonsten hast du sofort die ersten Pilze an den frisch ausgetriebenen Blättern.

Sobald sich die ersten Blättchen zeigen, wird der Verdunstungsschutz tagsüber belüftet. Da ich selbst als Verdunstungsschutz eine feste Plastikhaube verwende, halte ich Holzstückchen bereit, um die Haube - je nach Entwicklungsstand der Pflanze - tagsüber einseitig etwas an zu heben. Je nachdem, welchen Weg Du wählst, wirst Du damit deine eigenen Erfahrungen sammeln (müssen).

Wichtig für das Gedeihen deiner jungen Pflanzen ist der Aufstellungsort Deines Topfes. Mit der Zeit wirst Du sicherlich auch in Deinem Umfeld Plätze finden, die besser geschützt sind, andere, die in der Sonne liegen. Für deine Stecklinge gilt die Regel, dass sie am Anfang besonders geschützt aufgestellt werden. Nachdem die ersten Blättchen ausgetrieben sind, wirst Du die Neupflanzung immer länger belüften, schrittweise mehr dem Sonnenlicht aussetzen und im nächsten Frühling ohnehin ganz normal weiter entwickeln. 


Die Methode "Teichrosenkorb" für schnelles Wachstum
Wer ein schnelles Wachstum möchte, kann den Steckling im 2. Jahr in einen Teichrosenkorb umsetzen. Das garantiert zügiges Wachstum und die Chance auf einen guten Stammansatz mit schöner Verzweigung der Wurzeln. Die Wurzeln wachsen im Teichrosenkorb sternförmig auseinander. Anders, als in einer geschlossenen Schale stoßen sie aber nicht an den Schalenrand und fangen dann auf der Suche nach Wasser und Nahrung an, in der Schalte im Kreis herum zu laufen. Vielmehr stoßen sie am Ende des Teichrosenkorbes ins Freie und stellen ihr Wachstum ein. Dafür bildet sich dann eine neue Wurzel, die wieder den gleichen Weg geht.

Oft schon nach einem Jahr bekommt man so eine deutliche kräftigere, gesunde Pflanze mit einem gut entwickelten Nebari-Ansatz.

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